ein Beitrag von Mareike Punzel
Im Jahr 2014 begannen wir auf den Feldern von Campus Galli Rispenhirse (Panicum miliaceum) anzubauen, die im frühen Mittelalter in ganz Mitteleuropa noch weit verbreitet war. Die Hirse gedeiht gut, reift auch in unserem Klima gut aus und bietet für die Besucher einen interessanten Anblick, da ihr Anbau in Deutschland seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts erloschen war und die Pflanze weitgehend unbekannt ist.
In der Saison 2015 hatten wir zum ersten Mal eine größere Menge geerntet und wollten uns im Winter an die Aufbereitung für den menschlichen Verzehr machen. Das Ausdreschen der Körner ging problemlos vonstatten, auch war es möglich die Körner einfach von Hand abzustreifen. Die leichten Hüllspelzen kann man dann durch Worfeln (Windsichten) von den schwereren Körnern trennen. Danach aber beginnt unser Problem:
Das Hirsekorn ist von einer harten glänzenden Fruchtschale umgeben. Diese sollte, da sie anscheinend Inhaltsstoffe enthält, die für Menschen nicht bekömmlich sind, entfernt werden.
Wir machten uns also an die Arbeit, um mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln die Fruchtschale zu entfernen: Das waren Mörser und Stößel aus Holz oder Stein. Aber: Es wollte nicht gelingen. Wir erhielten eine Mischung aus ganzen, nicht entspelzten Körnern, zerbrochenen Körnern, zerbrochenen Spelzen und Mehl; kurzum: Ein Gemenge, das wir mit unseren Mitteln nicht trennen können. Trotz verschiedener Versuche gelang dieser Schritt bislang nicht.
Da in der frühen Landwirtschaftsliteratur eine Hirsestampfe erwähnt wird, in der die Hirse so bearbeitet wird, dass man ein Drittel Spelz und zwei Drittel Korn erhält, muss das prinzipiell möglich sein. Und wenn dies mit einfachen Maschinen möglich ist, dann sollte es doch auch in Handarbeit möglich sein, d.h. es sollte eine Methode geben, mit der man den Spelz aufbrechen kann und das Korn weitgehend unverletzt bleibt.
Wir schrieben eine Reihe von fachkundigen Menschen an, die uns auch tatsächlich viele hilfreiche Hinweise geben konnten oder Ideen hatten, wie wir unser Problem angehen könnten. Auch einige archäologische Untersuchungen und ethnografische Studien lieferten interessante Informationen. An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal herzlich bei allen bedanken, die sich die Zeit und Mühe gemacht haben, über unsere Fragestellung nachzudenken und uns zu antworten. Trotz der vielen Zuschriften konnten wir das Problem noch nicht endgültig lösen.
Sehr interessante Gedanken steuerte Jan Plessow von der Spreewälder Hirsemühle bei. Er gestattete uns auch, teile seiner Antwort hier zu veröffentlichen:
Zitat:
„Die Problemstellung, die sie […] darstellen ist mir sehr gut bekannt. Für ein Demonstrationsvorhaben habe ich vor ca. einem Jahr auch aus einem Stück Holzstamm einen Mörser mit Stößel herstellen lassen. Bei der praktischen Anwendung war ich ebenso enttäuscht und erstaunt wie sie – nur Bruch vermengt mit Hirsespelzen, untrennbar. Dabei ist die Technik der Verarbeitung durchaus überliefert und z.B. für die Slawen verifiziert.“
Seiner Meinung nach gibt es zwei mögliche Interpretationen:
Zitat:
- Die Technik ist nicht entsprechend konstruiert. Ich meine damit die Formung der Kontaktflächen. Unsererseits ist diese eher gerade ausgeformt. Vielleicht sollte es eher eine schüsselförmige Mulde sein mit entsprechend angepasstem Stößel (rund). Jedoch habe ich mal die wahrscheinlich einzig erhaltene Hirsemühle (Hirsestampf) hier in unserer Region in Augenschein nehmen dürfen. Ein länglicher Granitblock in dem 5 schüsselförmige Vertiefungen eingearbeitet sind (d= ca. 20-25 cm). In diese fallen (über Wasserkraft angetriebene) etwas schmalere Stößel (eher Balken). Diese sind an den Kontaktflächen aber auch eher gerade und nach unten hin scheinbar nur leicht angeschrägt.
- Der gute süße Hirsebrei wurde über die Jahrtausende tatsächlich mit dem Ausgangsmaterial, das Sie in Ihrem Mörser finden zubereitet! Dafür sprechen die Überlieferungen aus der Hausväterliteratur (sehen sie hierzu auch meine Ausarbeitung zur Geschichte des Hirseanbaus auf www.hirsemühle.de). So wird z.B. geschrieben, dass Hirse (-brei) harter „Däuung“ ist. Ich interpretiere das mit harter bzw. schlechter Verdauung. Auch wird geschrieben, dass man nur Hirse für einen kürzeren Verarbeitungszeitraum zubereiten soll, ansonsten wird sie ranzig. Wahrscheinlich ein Hinweis auf die Mehl- und Bruchkonsistenz. Denn Hirse, stark zerstört (insbesondere der fettreiche Keimling), reagiert sehr schnell mit Luftsauerstoff und wird tatsächlich schnell ranzig.
Jan Plessow leitet aus Punkt 2 auch ab, dass bereits in früherer Zeit die Verarbeitung problematisch war, der Vorteil der Hirse v.a. in der Vervielfältigung lag: mit wenig Saatgut waren viele Körner an der Rispe erzeugbar.
Das Problem der Hirseaufbereitung illustriert, was wir bei Campus Galli sehr häufig feststellen: besonders diejenigen Fragen stellen uns vor besondere Herausforderungen, die die ganz alltäglichen Verrichtungen der Menschen des frühen Mittelalters betreffen.
Sollte jemand hierzu weitere Informationen haben, freuen wir uns sehr über Kommentare oder Zuschriften!
Max Meyer
Hallo, ich habe zwar gar keine Erfahrung damit, vielleicht ist es auch abwegig von gutem Erfolg. Wäre es möglich, dass die Schale mit zwei gleichmäßigen platten entfernt wird, durch Reibung? Das Gewicht und zusätzlicher Händedruck sollte doch dafür ausreichen, die Schale zu entfernen und die Körner nicht zu mahlen. Ich wünsche viel Glück und beste Erfolge.
Mareike Punzel
Vielen Dank für den Vorschlag, er erinnert an Schiebemühlen. Wir werden es probieren.
Brighid
Mörsern ist nicht gleich Mörsern. Dass es mit zu viel Kraft und einer zu großen Menge nicht klappt, sollte eigentlich jedem klar sein. Man steht nur dann vor einem Problem bei der Umsetzung einfachster Fragestellungen, wenn man ohne Sinn und Verstand heran geht.
Campus Galli
Schade, dass Sie Ihren Kommentar mit Beleidigungen „spicken“ müssen. Die beschriebenen Probleme treten gleichbleibend auf, Sie dürfen sicher sein, dass die genannten Erfahrungen von uns und Herrn Plessow nicht auf einem einzigen Versuch beruhen.
Brighid
Kein Grund gleich zickig zu werden. Immerhin wäre die erste sinnvolle Frage, die man sich hätte stellen können, gewesen, welche Hirse Verwendung fand (es gibt und gab ja nicht nur eine Sorte) und ob ein Entspelzen überhaupt notwendig ist (immerhin wurde spelzfreie Hirse schon einige Jahrtausende vor Christus verwendet). Aber da hätte man eben etwas Vorarbeit leisten müssen.
Campus Galli
Es gibt verschiedene Pflanzenarten, die mit dem Sammelbegriff Hirse bezeichnet werden. In Mitteleuropa wurden Rispenhirse (Panicum miliaceum) und Kolbenhirse (Setaria italica) angebaut. Wir haben uns für Rispenhirse entschieden, da sie offenbar die größere Rolle in der Ernährung spielte. Natürlich gibt es auch hier verschiedene Sorten, anscheinend auch neuere Züchtungen mit dünnen Spelzen. Aber weder durch Recherche in der Fachliteratur noch in der Beratung mit Archäobotanikern haben wir Hinweise auf komplett spelzfreie ALTE Sorten erhalten, insofern freut es uns, dass Sie offenbar über bessere Informationen verfügen und hoffen, dass Sie uns Literaturhinweise und/oder Bezugsquellen für Saatgut nennen können.
Man darf sich aber dann die weiterführende Frage stellen, was in dem von Ihnen genannten Fall mit all der „Spelzhirse“ geschah, die ja archäobotanisch nachgewiesen ist? Warum wurde diese überhaupt weiter angebaut, wenn es spelzfreie Sorten gegeben haben sollte und die Spelzhirse nicht für den menschlichen Verzehr nutzbar war? Wir sind der Meinung, dass der Verzehr möglich gewesen sein MUSS, und stellen uns die Frage ob dazu eine spezielle Aufbereitung/Zubereitung nötig war und wie diese aussah!
Hadmut
Ich hoffe man hat die Hirse nicht in dieser Mulde aus grob behauenem Holz bearbeitet. Bei der unebenen Oberfläche wäre es keine Überraschung, wenn das Endergebnis unbefriedigend ist.
Mareike Punzel
Nein, in dieser Holzschale wurde die gemörserte Hirse gelagert. Gearbeitet haben wir mit glattwandigen Stein- und Holzmörsern.
Berthold
Wissen Sie, was bei alten mechanisch betriebenen Mühlen ein Relgang ist? Das ist eine eigene Einrichtung zum Entspelzen, bei der der Abstand zwischen den Mühlsteinen vergrößert wird.
Mit was mahlen Sie? Mit einer Handdrehmühle, hoffe ich. Die ist auch historisch belegt. Bei der würde ich Beilagscheiben oder etwas ähnliches auf die Achse bzw. zwischen die Steine legen, um den Abstand zu vergrößern. Experimentieren sie damit, bis Sie den für das Entspelzen der Hirse passenden Abstand gefunden haben.
Experimente dazu hat es außerdem schon vor mindestens 30 Jahren zum ersten Mal gegeben. Und soweit ich mich erinnere hat man es damals hinbekommen. Verstehe nicht, warum Sie davon noch nie etwas gehört oder gesehen haben…..
Campus Galli
Danke für Ihren Kommentar. Der Beitrag verfolgte das Ziel, neue Hinweise oder Anregungen für die Hirseverarbeitung zu bekommen, nachdem wir und unsere Berater aktuell nicht weitergekommen waren. Wir hatten die Hoffnung, dass einer unserer Leser direkte Erfahrungen oder Literaturhinweise hat. Sollten Sie Genaueres zu den genannten Experimenten wissen, wären wir Ihnen dafür dankbar. Bei unseren Recherchen konnten wir dazu bislang nichts finden.
Natürlich werden wir auch noch weiter experimentieren, d.h. mit verschiedenem Druck, Form der Stoß/Reibeflächen usw. Aber wie Sie selbst sagen muss man ja das Rad nicht jedesmal neu erfinden. Dass unser Aufruf zum „Mitdenken“ und die damit angestoßene offene Diskussion von manchen Menschen nicht richtig verstanden wird, ist bedauerlich.
Martina Droll-Metzinger
Vielleicht sollte man die Hirse , wie Getreide , auch über Nacht befeuchten, damit sie sich besser vom Spelz löst. ich würde die Hirse auch nicht in eine Mulde zum Mörsern legen, sondern mit gut aufeinander passenden flacheren Steinen gegeneinander reiben. Ein größerer Stein unten liegend und mit einem etwas kleineren Stein darrüber, dazwischen die befeuchtete Hirse und dann gegeneinander reiben. Danach einen zweiten Durchgang , vorher die Spelze auslesen.
Gab es nicht auch Steinmühlen?? Walzenmühle nur mit Steinen betrieben von Hand??
Tiegra75
Hallo,
Ich habe auch noch nicht so viel Erfahrung damit.
Aber dieses Jahr testete ich erst mal wilden Amaranth.
Ich erntete bisher mehrmal meine wilden Stauden.
Ich pflanzte sie in eine Reihe mit gut 50cm Abstand.
Zum Ernten stülpen ich vorsichtig eine große Tüte über die gesamte Pflanze bis knapp unter die Blütenstände. Dann drücke ich die Pflanze leicht zur Seite und ziehe die untere Kante der Tüte mäglichst hoch.
Unten vor der Kante sollte sich eine kleine Kuhle bilden. Dann klopfe ich leicht die Blütenkolben aus. Alles rutscht in die Kuhle der Tüte und ich kann dann alles in eine Schüssel geben.
Ich Ernte meinen Wild-Amaranth alle 3-5 Tage.
Die Ausbeuten ist pro Pflanze im Moment noch nicht so groß ca. 1 großer Esslöffel voll gereinigte Körner.
Aber wenn man das mal hoch rechnet… Von Mitte Juli bis Oktober und alle 3-5 Tage 1 Löffel voll… Das summiert sich erheblich! (Auch wenn der Ertrag Anfang Juni noch in Telöffelmänge pro Pflanze ausfällt)
– je älter die Pflanze wird um so mehr Blütenkolben bilden sich und um so mehr reife Körner fallen beim abklopfen aus –
Wie ich möchte hier noch einmal betonen, dass ich die Wildform als Test im Garten angebaut habe! Bei Kulturzüchtungen sollte der Ertrag wesendlich höher sein
Claudius Rolle
Liebe Müller bei campus-galli
auch wenn inzwischen recht viel Zeit seit dem letzten Kommentar vergangen ist – ich bin leider erst vor ein paar Tagen auf Ihre schönen und interessanten Berichte gestoßen – möchte ich meinen Senf zur Aufbereitung der Hirse dazugeben: Ist es vor dem historischen Hintergrund denkbar, daß zum „Schälen“ der Hirse ein Trommelverfahren benutzt worden sein könnte? Ich stelle es mir so vor: In einem hölzernen Fass, das es damals wohl schon gegeben haben sollte, wird die Hirse mit vielleicht der halben Menge kleiner runder und sauberer Kieselsteine in Drehung versetze, so daß die fallenden und reibenden Steine die Körner gleichmäßig abschleifen. Das Verhältnis Steine – Hirse, die Beschaffenheit und Größe der Steine und Dauer und Drehzahl müssten ausprobiert werden. Ich glaube, daß so die unterschiedliche Größe der Hirsekörner belanglos wäre; es stellte nach meiner Ansicht auch eine Analogie zum Dreschen dar – auch wenn es nicht um die Spelzen geht.
Ich würde mich sehr über eine Nachricht zu Ihren Forschungsergebnissen freuen!
Herzlichst
Claudius Rolle
Oliver Jungwirth
Guten Tag,
hoffentlich werden die Kommentare zu diesem schon etwas älteren Arrtikel noch verfolgt und es kümmert scih überhaupt noch jemand um dieses interessante Projekt.
Ich möchte einen Hinweis aus der Haferverarbeitung anbringen, den ich in der praktischen Umsetzing in Irland kennengelernt habe. Dort wird in einer Hafermühle ganz normaler Hafer – also kein Nackthafer – entspelzt, um die entspelzten Körner anschließend zu vermahlen. Gerade bei Hafer dürfte auch das schon erwähnte Problem mit der Anfälligkeit zum ranzig Werden zutreffen. Bevor der Hafer entspelzt wurde, wurde der Hafer von Lagerfeuchtigkeit (ca. 15%) auf ca. 5% heruntergedarrt. Mir wurde erklärt, dass es im Haferkorn dabei durch Schrunpfungsprozesse zu Ablösungen von Korn und Spelz kommt und gleichzeitig der Spelz spröde wird. Das so vorbereitete Korn wurde dann mit hoher Geschwindigkeit vor rotierende „Ventilatorblätter“ geschleudert, was die Spelzen vom Korn trennte. Der Luftsrtrom konnte dann auch gleich zur Sichtung/Trennung von Spelz und Korn verwendet werden. Möglicherweise lässt sich das auch mit der Hirse bewerkstelligen und mit mittelalterlichen Mitteln umsetzen.
Viel Erfolg und bis bald einmal im Campus Galli
Campus Galli
Vielen Dank für die interessante Schilderung, die wir gerne an unser Landwirtschafts-Team weitergeben. Das ist insbesondere interessant, weil wir ja auch Spelzgetreide anbauen, dessen Verarbeitung noch ansteht.