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In der Töpferwerkstatt des Campus Galli werden zwei für das 9. Jahrhundert typische Techniken gezeigt.

Wie genau die Töpferscheiben im 9. Jahrhundert aussahen ist nicht direkt belegt, es gibt dafür keine Abbildungen oder Funde. Eine Annäherung ist aber möglich, betrachet man die Zeit davor und danach. Stabbetriebene Töpferräder, wie auf dem Campus Galli, sind seit dem 13. Jahrhundert auf Abbildungen zu finden (Abbildung 1). Und auch in der Antike gab es ähnliche Töpferscheiben, die mit dem Stab angetrieben wurden, wie Wandmalereien aus Pompeji zeigen (Abbildung 2). Es liegt nahe, auch für die Zeit dazwischen, also auch fürs 9. Jahrhundert, von Töpferrädern auszugehen.
Das große Töpferrad wird mit einem Stab in eine schnelle Drehung versetzt. Durch die große Masse behält es den Schwung einige wenige Minuten. In dieser Zeit wird der Ton zu Gefäßen verformt und hochgezogen: man spricht von frei gedrehter Keramik oder auch Drehscheibenware.

Was man allerdings direkt aus dem 9. Jahrhundert hat, sind archäologische Funde von Keramik. So gibt es Tonscherben, an denen man durch die typischen Drehriefen erkennen kann, dass die Gefäße auf schnellen Töpferscheiben frei gedreht wurden. Allerdings wurde dieses Geschirr nicht in unserer Gegend gefertigt, sondern importiert, wahrscheinlich aus Werkstätten im Elsass und dem Oberrheingebiet. Im Bodenseeraum und Oberschwaben wurde damals eine andere Technik angewendet:

Auf der kleinen, langsamen Töpferscheibe werden die Gefäße Stück für Stück aus Tonwülsten aufgebaut. Die Scheibe wird mit der Hand angetrieben. Sie hilft beim gleichmäßigen Aufbauen und dient außerdem dazu, das Gefäß zu runden und zu glätten.

Diese Arbeitsweise und die entsprechenden Handtöpferscheiben waren in einigen ländlichen Gegenden noch bis ins 20. Jahrhundert hinein üblich. Es gibt archäologische Funde von Keramikscherben, an denen man Spuren vom Verbinden der Tonwürste und vom Drehen der Scheibe finden kann. Daher weiß man, dass auch im 9. Jh. auf eine ähnliche Weise gearbeitet wurde. Es gibt tatsächlich auch mittelalterliche Abbildungen von Handtöpferscheiben, allerdings etwas spätere: eine stammt aus dem 11. Jahrhundert (Abbildung 3), die andere aus dem 13. Jahrhundert (Abbildung 4).

Einige Forscher vermuten, dass die Fußtöpferscheibe, die es schon in der Antike gab, das ganze Mittelalter hindurch verwendet wurde. Die ältesten eindeutigen Abbildungen von mittelalterlichen Fußtöpferscheiben (15. Jahrhundert) (Abbildung 5) sind jedoch später als die von Töpferrädern (13. Jahrhundert). Wahrscheinlich wurden sie im Spätmittelalter wiederentdeckt. Die konstruktive Ähnlichkeit mit Handtöpferscheiben spricht dafür, dass sie sich aus Handtöpferscheiben entwickelt haben.

Mit dem Fuß angetriebene Töpferscheiben sind den Töpferrädern nicht unbedingt überlegen. Auch an der Fußtöpferscheibe muss der Töpfer die Arbeit unterbrechen, um die Scheibe anzutreiben; es gibt nur wenige Töpfer, die gleichzeitig treten und arbeiten können, weil die Hände bei der Arbeit extrem ruhig gehalten werden müssen. In Frankreich und Teilen von Deutschland wurden Töpferräder bis ins frühe 20. Jahrhundert verwendet. Das zeigt, dass sie gegenüber den Fußtöpferscheiben konkurrenzfähig sind. In Indien werden auch heute noch Töpferräder verwendet.

Autor: Martin Rogier

Literatur

  • http://larsdatter.com/potters.htm.
  • W. Czysz, Geschichte und Konstruktion alter Töpferscheiben. In: Fansa, Mamoun (Hrsg.), Experimentelle Archäologie in Deutschland. Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 4 (Oldenburg 1990), 308-314.
  • B. Kerkhoff-Hader, Rheinische Töpferräder und Töpferscheiben im internationalen Vergleich. In: Hartwig Lüdtke/ Rüdiger Vossen (Hrsg.), Töpfereiforschung zwischen Mittelmeer und Skandinavien. Beiträge des internationalen Kolloquiums 1990 in Hamburg. Töpferei- und Keramikforschung 3 (Bonn 1996), S. 225-258.
  • C. Leterme, Töpferräder und Töpferscheiben: Archäologische Befunde und zeitgenössische Abbildungen. In: Melzer, Walter (Hrsg.), Archäologie und mittelalterliches Handwerk. Eine Standortbestimmung. Beiträge des 10. Kolloquiums des Arbeitskreises zur archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Handwerks. Soester Beiträge zur Archäologie Bd. 9 (Soest 2008) 157-168.
  • A. Rieth, 5000 Jahre Töpferscheibe, Konstanz 1960.
  • A. Rieth, Zur Frage der römischen Töpferscheibe. Fundberichte aus Schwaben N.F. 17.
  • M. Rogier, Nachgedrehte Keramik. Überlegungen zur Definition, Bestimmung und Interpretation am Beispiel Baden-Württemberg, Tübingen 2015 (im Druck).

Abbildung 1: Töpferrad, Frankreich, 13. Jh. Umzeichnung. Rieth 1960 Abb. 82.
Abbildung 1: Töpferrad, Frankreich, 13. Jh. Umzeichnung. Rieth 1960 Abb. 82.
Abbildung 2: Töpferscheibe. Fresko aus Pompeji (Detail). Vor den Füßen des Töpfers liegt der Stab. Rieth 1965, Abb. 1.
Abbildung 2: Töpferscheibe. Fresko aus Pompeji (Detail). Vor den Füßen des Töpfers liegt der Stab. Rieth 1965, Abb. 1.
Abbildung 3: Handtöpferscheibe. Rodabibel, Spanien, 2. Hälfte 11. Jahrhundert.
Abbildung 3: Handtöpferscheibe. Rodabibel, Spanien, 2. Hälfte 11. Jahrhundert.
Abbildung 4: Töpfer an der Handtöpgferscheibe. Fresko aus dem Dom zu Gurk (Umzeichnung), 2. Hälfte 13. Jahrhundert. U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und schwäbischer ALb, Stuttgart 1991, Abb. 2.
Abbildung 4: Töpfer an der Handtöpgferscheibe. Fresko aus dem Dom zu Gurk (Umzeichnung), 2. Hälfte 13. Jahrhundert. U. Gross, Mittelalterliche Keramik zwischen Neckarmündung und schwäbischer ALb, Stuttgart 1991, Abb. 2.
Abbildung 5: Fußtöpferscheibe. Süddeutsch, um 1490. Rieth 1960, Abb. 87.
Abbildung 5: Fußtöpferscheibe. Süddeutsch, um 1490. Rieth 1960, Abb. 87.

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