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Der Klosterplan

Ein einzigartiges Stück Geschichte

Der St. Galler Klosterplan ist einzigartig! Trotz der vielen Bauwerke, die zu dieser Zeit entstanden, ist kein anderer Bauplan aus dem frühen Mittelalter bekannt. Er ist die älteste überlieferte Architekturzeichnung Mitteleuropas. Gezeichnet wurde der Plan von Mönchen vor dem Jahr 830 n.Chr., auf der Insel Reichenau im Bodensee. Benannt ist er nach dem Ort St. Gallen, für den er ursprünglich geschaffen wurde und in dessen Stiftsbibliothek er bis heute liegt.

Der Klosterplan mit seinen zahlreichen Gebäuden und vielen Details, hat eine bewegte Geschichte. Entstanden ist er aus fünf nach und nach angenähten Pergamentblättern.

Seine Rückseite wurde ca. 400 Jahre später von einem Mönch dazu verwendet, das Leben des Heiligen Martin aufzuschreiben, bei genauem Hinsehen kann man die Schrift an vielen Stellen durchscheinen sehen. Die vielen Faltungen und ein im 19. Jahrhundert fehlgeschlagener Restaurationsversuch, geben dem Plan sein heutiges Aussehen.

Ein ausführlicher Text befindet sich unter dem Plan.
Berühren Sie mit der Maus die im Plan verzeichneten weißen Punkte, um eine Beschreibung des entsprechenden Gebäudes zu lesen.

Schreibstube (unten), Bibliothek (oben)
Wohnung des Schulvorsehers
Wohnung des Pförtners
Gästehaus
Brauerei, Bäckerei und Küche des Gästehauses
Schulhaus
Haus zur Verköstigung nach Aderlass und Arztmeitrunk
Abtshof: Haupthaus
Ärztehaus
Abtshof: Küche, Vorratsraum, Badstube und Kammern
Wohnung der Gastmönche
Heilkräutergarten
Badehaus und Küche des Pflegebereichs
Krankenhaus mit Kreuzgang
Haus unbekannter Funktion (ausradiert, hochmittelalterliche Überschreibung)
Klosterkirche
Hostienbäckerei und Ölpresse
Oblaten- und Novizenhaus mit Kreuzgang
Kirche der Oblaten, Novizen und Kranken
Badehaus und Küche des Oblaten- und Novizenhauses
Stallanlage der Schafe und Schäfer
Ruheraum des Armenpflegers
Kreuzgang im Klaustrum der Mönche
Empfangsraum der Gäste
Sakristei (zweigeschossig)
Wärmeraum (unten), Schlafsaal (oben)
Wohnanlage der (auswärtigen) Diener
Friedhof und Obstgarten (Paradiesgarten)
Getränkelager (unten), Vorratsraum (oben)
Pilger- und Armenherberge
Brauerei und Bäckerei der Pilger- und Armenherberge
Stallanlage der Ziegen und deren Hirten
Stallanlage der Schweine und deren Hirten
Stallanlage der Kühe, Kälber und deren Hirten
Stallanlage der Stuten, Fohlen und deren Hüter
Küferei, Drechslerei
Stallanlage der Ochsen, Pferde und deren Betreuer (unten), Dachboden (oben)
Kornspeicher
Brauerei und Bäckerei der Mönche
Darre der Jahresfrüchte
Stampfe
Mühle
Widmungsbrief
Werkstätten
Scheune mit Dreschtenne
Gärtnerhaus
Garten für Gemüse und Küchenkräuter
Hühnerhaus
Haus des Geflügelwärters
Gänsehaus
Badehaus und Waschraum
Speisesaal (unten), Kleiderkammer (oben)
Küche der Mönche
Latrine

Der St. Galler Klosterplan wurde nach dem Ort benannt für den er geschaffen wurde und in dem er seitdem auch in der Stiftsbibliothek liegt. Er ist dort unter der Signatur „Cod. Sang. 1092“ zu finden, wurde dort aber nicht gezeichnet. Die Untersuchungen der Schriften auf dem Plan haben die Reichenau als den Entstehungsort enthüllt. Als Urheber des Planes gelten zwei Personen, da die Beischriften des Plans von zwei unterschiedlichen Personen stammen. Reginbert, Bibliothekar der Reichenau, gilt sicher als einer der Autoren der Beischriften. Ein jüngerer Schreiber, sein Schüler Walafrid Strabo (auch Walahfrid oder Walahfried), war möglicherweise der andere.

Im frühen 9. Jahrhundert, in der Zeit vor 830, ist der Klosterplan entstanden. Die Widmung des Plans verweist auf Gozbert als Empfänger, der als Abt in St. Gallen 830 mit dem Bau des Gozbert-Münsters begonnen hat. Der Plan ist demnach schon vorher entstanden.

Der Klosterplan mit seinen 52 Gebäuden besteht aus fünf zusammengenähten Pergamentblättern. Über DNA-Analysen haben Wissenschaftler festgestellt, dass das Pergament aus der Haut von Schafen hergestellt wurde. Zusammen haben diese fünf Pergamentblätter eine Größe von 112 cm mal 77,5 cm.

Die Bedeutung des Plans

Der St. Galler Klosterplan ist der einzige Bauplan, der aus dem frühen Mittelalter erhalten ist. Der Bauplan des Klosters Christchurch in Canterbury, der als der nächstjüngere gilt, stammt aus dem 12. Jahrhundert.

Die Bedeutung des Planes erschließt sich schnell bei genauerer Betrachtung des Plans. Dargestellt werden etwa 50 Gebäude in ihrer Lage, ihrer Größe und ihrer Funktion. In nicht wenigen Gebäuden finden wir Darstellungen von der Inneneinrichtung, Betten, Tische und vieles mehr. Damit liefert er eine Beschreibung eines Klosters mit den Bedürfnissen seiner Einwohner. Der Zeichner des Plans stellte die Anordnung der Gebäude dar, wie es ihm für ein größeres Kloster nach der Regel des heiligen Benedikts ideal erschien. Der Plan gibt damit auch einen tiefen und einzigartigen Einblick in nahezu alle Bereiche des klösterlichen Lebens, in die Planung von Bauwerken und Architektur vor 1200 Jahren.

Die Zeit des Klosterplans

Viele bedeutende Ereignisse und Entwicklungen prägten das frühe 9. Jahrhundert. Das Reich der Karolinger erreichte in der Regierungszeit Karls die größte Ausdehnung, Karl starb 814. Sein Sohn Ludwig der Fromme beteiligte seine drei Söhne an der Herrschaft, was immer wieder zu Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen ihnen führte. 843, drei Jahre nach dem Tod Ludwigs führte dies zur Reichsteilung.

Eine andere Gefahr drohte in der Gestalt der Wikinger aus dem Norden, die ab Mitte des 8. Jahrhunderts immer wieder an fremden Küsten auftauchen. Obwohl es im Zuge dessen bereits zu Auseinandersetzungen kommt, gilt in der Wissenschaft der Überfall auf das Kloster Lindisfarne (793 AD) an der Nord-Ost-Küste Englands als eigentlicher Beginn der „Wikingerzeit“. Die Wikinger bedrohten auch das Frankenreich und im Jahr 834 begannen die großen Überfälle der Wikinger auf dem Kontinent, die 77 Jahre lang anhalten sollten.

Aber diese Zeit wurde nicht allein durch das Chaos von Kriegen und Überfällen geprägt. Die Karolinger übernahmen Verwaltungsaufgaben und sprachen Recht in den Königssitzen (sedes regiae) oder Pfalzen, zwischen denen sie hin und her reisten. In den Klöstern förderten sie die Kultur und Bildung (Karolingische Renaissance).

Literatur:

Tremp, E. – Der St. Galler Klosterplan
Grewe, K. – Der Wasserversorgungsplan des Klosters Christchurch in Canterbury
Goetz, H.-W. – Europa im frühen Mittelalter
Graf Oxenstierna, E. – Die Wikinger