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ein Beitrag von Martin Rogier, M.A., Töpfer bei Campus Galli

Am Samstag, dem 9. Juli 2016, wurde im neuen Töpferofen zum ersten Mal Keramik gebrannt. Der Ofen war im Mai und Juni im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit vier ArchäologiestudentInnen der Uni Tübingen gebaut worden, außerdem waren viele weitere Helfer beteiligt. Dabei haben wir uns an archäologischen Grabungsbefunden orientiert. Unser Ofen ist, wie viele karolingische Öfen auch, komplett aus Lehm gebaut (Bild 1 und Bild 2). Der Lehm wurde vor Ort abgebaut und mit Stroh, Sand und Mist gemagert.

Zum ersten Brand hatten wir einen Gast, den Töpfermeister und Experimentalarchäologen Johannes Klett-Drechsel. Er verfügt über eine reiche Erfahrung in der Rekonstruktion und im Brennen von mittelalterlichen Töpferöfen, die für uns sehr wertvoll war.

Die getöpferten und getrockneten Gefäße wurden schon einen Tag vorher eingesetzt (Bild 3 und Bild 4). Der Ofen hat ja zwei Kammern, unten den Feuerungsraum, der durch den Schürkanal geheizt wird, und oben, unter der Kuppel, den Brennraum, in den die Töpfe gestapelt werden. Sie stehen auf der sogenannten Lochtenne, eine durchlochte Lehmplatte (Bild 2), die als eine Art Rost dient. Der Ofen wird fast bis zum Rand des Abzuglochs vollgestapelt (Bild 4) – ohne die Löcher zuzustellen – und teils von oben, teils durch eine seitliche Öffnung eingeräumt, die dann vor dem Brand mit getrockneten Lehmsteinen zugemauert wird.

Beim Brennen im Töpferofen muss man viele Stunden lang permanent heizen, also in kurzen Abständen immer wieder Holz nachlegen. Am Samstag morgen um 10 wurde im Schürkanal das Feuer angezündet – mit Feuerstein, Feuerstahl und Zunderschwamm.

Es wurde erst einmal sehr langsam und vorsichtig geheizt. Durch die Gesamthöhe von etwa 1,50 Meter und den oben offenen Abzug entsteht ein senkrechter Zug, ein Kamineffekt. Daher  kann man die Temperatur durch ständiges Nachlegen von Holz steigern (Bild 5). Erst ab etwa 21:30 züngelten dann erste Flammen durch die Löcher der Lochtenne, und ab etwa 22 Uhr konnte man die ersten Feuerfüchse sehen, so nennt man die Flammen, die aus dem Abzug heraus brennen (Bild 6). Noch später erst konnte man die Töpfe glühen sehen. Anhand dem Verhalten des Ofens, von Rauch, Ruß, Flamme und den Farben der Glut kann ein erfahrener Töpfer die Brenntemperatur bestimmen. Wir haben eine Ziehprobe genommen, das heißt, wir haben ein glühendes, vorher extra günstig plaziertes winziges Henkelgefäß mit einem Eisenhaken herausgezogen, um die Brandgare zu beurteilen. Ein sogenannter Segerkegel, das ist ein moderner Messkegel aus einer bestimmten Materialmischung, den wir vorher eingesetzt hatten, verriet, dass wir etwa um 840°C erreicht haben. Um 2 Uhr nachts war der Ofen endlich heiß genug und alle Öffnungen wurden mit Lehmsteinen und Lehmmörtel verschlossen.

Der gesamte Brand dauerte 16 Stunden – dies lag aber daran, dass der Ofen selbst noch ungebrannt war. Der Ofen ist jetzt an der Innenseite gebrannt, es gibt also innen eine harte, ziegelartige Schicht. Die Brenndauer und auch der Holzverbrauch werden bei zukünftigen Bränden deutlich geringer sein.

Am Sonntag nachmittag haben wir dann die gebrannten Gefäße herausgeholt. Sie sind deutlich härter als vormals im Grubenbrand geworden und haben eine gelbliche oder graubraune Farbe (Bild 7 und Bild 8). Es waren knapp 100 Gefäße im Ofen. Nur sechs davon muss man als Ausschuss bezeichnen.

Dieser erste Brand war nur der allererste, zaghafte Anfang. Wir werden noch viele weitere Brände machen. Ein solcher Ofen kann über Jahre hinweg verwendet werden. Im Laufe der nächsten Brände werden wir sicherlich viele Erfahrungen und Beobachtungen machen und zusätzlich noch viele neue Fragen entwickeln. Schon jetzt ergeben sich ein paar interessante Fragen: Während wir als Archäologen die Ofenmaße von Grabungszeichnungen abgeleitet hatten, wollte der Töpfermeister gleich ein paar Sachen aufgrund von praktischen Erfahrungen abändern. So gab es Diskussionen über die Ausgestaltung des Schürkanals und der Lochtenne. Wie kommt es zu solchen Widersprüchen? Haben die damaligen Töpfer technische Probleme vielleicht anders gelöst, als heutige Handwerker es für möglich oder sinnvoll halten? Haben Archäologen zu wenig praktische Erfahrungen, um Ofenbefunde richtig zu erkennen, richtig auszugraben, zu dokumentieren und zu zeichnen? Vielleicht können zukünftige Erfahrungen mit unserem Töpferofen bei diesen und anderen Fragen weiterhelfen.

Bild 1: Der Feuerungsraum des Ofens beim Aufbau.
Bild 1: Der Feuerungsraum des Ofens beim Aufbau.
Bild 2: Die Lochtenne.
Bild 2: Die Lochtenne.
Bild 3: Töpfermeister Johannes Klett-Drechsel (rechts) war beim Brand mit dabei.
Bild 3: Töpfermeister Johannes Klett-Drechsel (rechts) war beim Brand mit dabei.
Bild 4: Einräumen des Ofens.
Bild 4: Einräumen des Ofens.
Bild 5: Permanent muss Holz nachgelegt werden.
Bild 5: Permanent muss Holz nachgelegt werden.
Bild 6: Nachtwache am Ofen.
Bild 6: Nachtwache am Ofen.
Bild 7: Blick in den Innenraum nach dem Brand.
Bild 7: Blick in den Innenraum nach dem Brand.
Bild 8: Die fertige Keramik.
Bild 8: Die fertige Keramik.

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3 Kommentare

  • „Schon jetzt ergeben sich ein paar interessante Fragen….“

    Warum stellen Sie diese Fragen nicht den Leuten, die solche Öfen schon nachgebaut haben?
    Könnten Sie sich dadurch nicht viel Zeit (=Geld) ersparen und sich Dingen widmen, die tatsächlich Neuland für die Forschung sind?

    • Hallo Katherina,
      natürlich haben wir im Vorfeld sämtliche uns verfügbare Literatur gesichtet, und den Rat erfahrener Leute eingeholt. Auch originale Funde haben wir uns angesehen, ein Stück einer römischen Lochtenne wurde uns sogar geschenkt um es als Ausstellungsstück nutzen zu können. Die Studenten, die beim Ofenbau mitgewirkt haben, haben Referate zum Thema gehalten und ihrerseits ebenfalls weitreichend recherchiert. Wie auch in allen anderen Arbeitsbereichen, geht der eigentlichen Umsetzung viel Vorarbeit voraus.

      Interessanterweise wurden viele der Fragen bisher nicht beantwortet, was zahlreiche Gründe hat, allen voran weil heute keiner mehr häufig und regelmäßig mit solchen Öfen arbeitet. Langzeittests stehen also bisher aus, oder wurden nicht veröffentlicht.

      Und von den Öfen die im Rahmen anderer Freilichtmuseen o.ä. gebaut wurden, hat eben auch niemand mit „unserem“ örtlichen Material gearbeitet, Erfahrungen mit diesem Material können nur wir vor Ort sammeln… und hier sind wir beim zweiten Nutzen dieses Ofens: wir brauchen die Keramik in unserem Alltag, der Ofen muss dauerhaft funktionieren! Es führt also kein Weg an der Arbeit (= an diesen Ausgaben) vorbei.

  • Ich habe in meinem Restaurierungstsudium bereits die Erfahrung machen dürfen, dass experimentelle Architektur essentiell für die Beurteilung von, in meinem Fall Bau- und Wandmalereipraxis ist. Wir konnten schon häufig feststellen, dass sich gewisse Bauprinzipien in vielen Regionen der Erde gleich oder zumindest sehr ähnlich entwickelt haben und in einigen Ländern sind solche Erfahrungswert noch immer vorhanden.
    Vielleicht kann es eine Anregung sein (falls noch nicht geschehen), den Blick nach Asien zu wenden, in Regionen in denen immer noch viel mit Lehm gebaut wird. Vielleicht stößt man auf ähnliche Bauformen oder interessante Lösungen die es auch in der karolingischen Zeit gegeben haben könnte.

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