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Interview mit Frater Jakobus Kaffanke OSB, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats. 

CG: Sehr geehrter Frater Jakobus, als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats begleiten Sie einen mittelalterlichen Klosterbau, ein für die heutige Zeit durchaus ungewöhnliches Projekt. Was hat Sie bewogen, sich hier einzubringen, was ist Ihnen wichtig?

Fr.Jakobus: Zunächst einmal möchte ich Ihnen danken in diesem Gespräch zu dem Projekt Campus Galli allgemein Stellung nehmen zu können. Als ich zum ersten Mal davon in der Zeitung las, war ich gleich sehr angetan, da es für die Menschen in unserer Gesellschaft sehr wichtig ist die eigene Geschichte, auch die Kultur-, Kirchen- und Klostergeschichte,  d.h. die Entwicklung der Innerlichkeit des Menschen, kennenzulernen. Das Wissen um die „Herkunft“ schafft  Grundlagen für die Entwicklung einer besseren und soliden Zukunft. Die christlichen Klöster in Europa, gerade im ersten Jahrtausend haben eine wichtige, ja entscheidende Rolle in der Kultivierung, Bildung und Entwicklung der germanischen und slawischen Völker Europas geleistet. Die Katholische Kirche hat den Hl. Benedikt  zum „Patron Europas“ erhoben, das ist ein starkes und richtiges Zeichen, auch für uns heute, wo Kirchen und Klöster in eine schwerwiegenden Krise geraten sind, die sich auf die weitere Entwicklung der europäischen Gesellschaften sehr negativ auswirken könnte. Nur religiös orientierte und gefestigte Menschen können den verschiedensten Ismen der heutigen Zeit standhalten.  – Der Sankt Galler Klosterplan zeigt als eines der ältesten Kulturdokumente Europas die sehr starken Impulse, die von monastischen Gemeinschaften im Frühmittelalter, d.h. in der Werdung Europas, in sehr vielen Lebensbereichen, ausgingen.  Dies gleichsam spielerisch zu erkennen, eingebettet  in die Freizeit- und Feriengestaltung von Familien und Freundeskreisen, wäre eine wunderbare und nützliche Angelegenheit, dachte ich mir. Gleichzeitig wünschte ich mir, daß ein angemessener, sich ergänzender Kontakt dieses Living History Projektes mit einem real existierenden Benediktinerkloster – dem nahe entfernt liegenden Kloster Beuron – zustande käme. Nach einiger Zeit und kleineren Schwierigkeiten trat dann auch das gewünschte Bekanntwerden ein, entwickelt sich weiter und so bin ich als  von der Erzabtei abgeordneter Mönch Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat geworden.

CG: Worin besteht für Sie der besondere Wert des St.Galler Klosterplans und seit wann beschäftigen Sie sich mit diesem Dokument?

Fr.Jakobus: Ich beschäftige mich mit dem St. Galler Klosterplan seit fast zwei Jahrzehnten. Wir haben eine große und ausgezeichnete Klosterbibliothek. Beuron war und ist rein juristisch eine immer noch existierende Theologische Hochschule die alle theologischen, philosophischen und auch historischen Fachgebiete mit den üblichen wissenschaftlichen Zeitschriften und Reihen vorhält. So ist die ganze Forschungsliteratur zum St. Galler Klosterplan vorhanden. Freilich ist das für mich nur eines von vielen anderen interessanten Punkten des Frühen Mönchtums, mein eigentliche Schwerpunkt hingegen ist die Spiritualität der frühen Mönche, z.B. des hl. Gallus, der mit dem Mönchsvater Kolumban von Irland über verschiedene Stationen um 600 an den Bodensee kam, in Bregenz missionierte und dann eine Einsiedlerzelle an der Steinach gründete, aus der sich etwa einhundert Jahre später das Kloster St. Gallen entwickelte. Das Irische Mönchtum jedoch wurde von der Spiritualität der sog. „Wüstenväter“ (und  –mütter), die ab 250 in Ägypten lebten stark beeinflußt.

CG: Hatten Sie anfänglich Sorge, dass bei Campus Galli Religion bzw. Mönchtum zum Schauspiel wird, um es touristisch zu vermarkten?

Fr. Jakobus: Ja, das ist schon der Fall gewesen. Doch selbst dann würde in spielerischer Weise auf die Geschichte des frühen Mönchtums nördlich der Alpen eingegangen. Meine Devise ist: Vom Flachen zum Tiefen. Es gilt einen großen Anmarschweg hinter sich zu bringen, um einen Zeitsprung von ca. 1400 Jahren zu bewältigen. Eine interessante aber innerlich kohärente Inszenierung dieser sehr frühen und archaischen Formen des Mönchstums soll gerne viele Menschen anziehen, soll also interessant sein. Es gilt aber eine gesunde und wirksame Balance von anziehend und vertiefend zu finden.

CG: Was ist Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung für das Projekt Campus Galli?

Fr. Jakobus: Die größte Herausforderung ist das Durchhalten eines ca. 40 Jahre umfassenden, anspruchsvollen Planes. 40 Jahre lang Handwerker und Wissenschaftler bei der Stange zu halten, zu begeistern und unter den schwierigen Bedingungen mittelalterlicher Baumethoden am Bauwerk zu engagieren, braucht sehr viel Überzeugungskraft und Hingabe. Darüber werden die meisten Mitarbeiter der ersten Stunde alt werden.

CG: Was wünschen Sie dem Projekt für die Zukunft?

Fr. Jakobus: Ich wünsche dem Projekt Campus Galli einige charismatische “Zugpferde“, einige nüchtern denkende Historiker und Betriebswirte, viele geschickte und solide HandwerkerInnen, sehr viele junge und alte Besucher, rauschende Baustellen- und Themenfeste, stetig neue Ideen und einen bleibenden Kontakt mit dem real existierenden Mönchtum der Region.  Campus Galli ist bei allem in Living History Eingebundensein  ein Ort an dem geistliches, kontemplatives Leben organisiert wurde. In der Stille der Kontemplation, in „Gebet und Arbeit“ wurden und werden die innersten Werte des Menschseins erfahrbar, genährt und fruchtbar. Diese Faszination strahlt bis heute aus und läßt Menschen alles Alters- und Bildungsstufen auch heute klösterliche Orte aufsuchen.

CG: Vielen Dank für Ihre Zeit und die Beantwortung der Fragen!

Das Interview fand statt im Dezember 2015, die Fragen stellte Dr. Hannes Napierala.

Porträtfoto ©Felix Weckenmann

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3 Kommentare

  • In Deutschland müssen so viele Kirchen geschlossen werden, viele Klöster haben keine Zukunft – also bauen wir ein neues?! Ich finde da hätte man lieber etwas weltliches gebaut, oder die Ressourcen in ein bestehendes Kloster investiert!

    • Unsere „Klosterbaustelle“ ist im Prinzip etwas Weltliches, auch wenn das seltsam klingt! Denn hier geht es um Geschichte, um Handwerk, Architektur, Landwirtschaft und AUCH um Religion, aber nur in einem kulturgeschichtlichen Sinne. Es geht NICHT um Missionierung oder darum einen Ort zu schaffen an dem Religion praktiziert wird. Die Klöster des Frühmittelalters waren wichtige Bausteine unserer Geschichte und der St.Galler Klosterplan ist bis heute eines der bedeutendsten Dokumente dieser Zeit. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Rolle der Klöster und ihre Entstehung genauer zu betrachten und für Besucher verständlich zu machen. Die steigenden Besucherzahlen zeigen uns, dass offenbar ein Interesse an diesem Thema besteht. Schade, dass Sie dieses Interesse nicht teilen, aber die Geschmäcker sind eben verschieden.

  • Danke, das ihr euch dieser großen Aufgabe stellt. Ich werde bestimmt kommen.
    Wenn alles so genau nachgeahmt wird wie beschrieben. wäre es dann nicht konsequent wenn die Leute hin und wieder die Arbeit nieder legen und zusammen kommen würden und so tun als würden sie beten.?
    Ich befürchte ein wichtiges Element dieser Zeit besonders im Kloster wird nicht sichtbar auf dieser Baustelle.

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